„Die Geschichte wird verändert, weiter entwickelt, spannender gemacht“

Ein Interview, welches zur Vorbereitung für eine TV-Sendung im Dezember 2009 mit mir geführt wurde.

Worin besteht für Sie als Wissenschaftler der wissenschaftliche Reiz, sich mit dem „Brieselanger Licht“ zu beschäftigen?

Das eigentlich Interessante ist für mich der Umgang mit der Geschichte. Die Legende um „das Licht“ ist weit über die Grenzen Berlin-Brandenburgs hinaus bekannt. Dabei ist es ebenso wie bei dem Spiel „Stille Post“. Die Geschichte wird verändert, weiter entwickelt, spannender gemacht.

Die Geschichten, die man sich erzählt, bedienen die unterschiedlichsten Interessen: Geisterjäger wissen von den Seelen Verstorbener zu berichten, UFO-Gläubige machen Außerirdische für den Spuk verantwortlich, Verschwörungstheoretiker vermuten geheime Labors in den Wäldern. Ein Kessel Buntes. Es ist spannend, die Szene zu beobachten, die sich darum entwickelt hat und natürlich ist es ein besonderer Reiz, wenn man einem Geheimnis auf der Spur ist. Man möchte wissen, was dort gesehen wird, von wem und warum.

Wie sieht oder sah Ihre wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens aus? Welche Versuche haben Sie unternommen, um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen?

Bei herkömmlichen UFO-Sichtungen gibt es meist nur eine einzige Quelle: den Zeugen. Das eigentliche Ereignis ist für den Untersucher in den meisten Fällen nicht direkt erfahrbar, weil die Erscheinung als spontanes und flüchtiges Phänomen längst wieder verschwunden ist. Das ist in Brieselang im Prinzip zwar genauso, Augenzeugen beschreiben, was sie wahrgenommen haben. Aber man hat als Untersucher hier auch die Möglichkeit, selbst die Erfahrung einer Sichtung zu machen. Oder auch dabei zu sein, wenn Bebachtungen gemacht werden und die Reaktionen darauf mitzuerleben.

Und so habe ich zahlreiche Augenzeugen befragt, mich im Ort und im Wald umgehört und war auch dabei, wenn Waldbesucher die für sie unerklärlichen Lichter gesehen haben. Gemeinsam mit Kollegen habe ich selbst ausprobiert, welche Effekte durch unterschiedliche Lichteffektgeräte zustande kommen können und mich mit möglichen Stimuli vertraut gemacht. Meine Erfahrung aus der UFO-Phänomen-Forschung kam mir dabei zugute.

Welche wissenschaftliche Erklärung haben Sie für das Leuchten im Brieselanger Wald? Welcher Erklärungsversuch scheint Ihnen auf Grund Ihrer Erkenntnisse am plausibelsten?

Eine ganz wichtige Erfahrung, die ich gemacht habe, ist die, dass es nicht „die einzige und alle erklärende Antwort“ gibt. Das Phänomen setzt sich aus ganz unterschiedlichen Aspekten zusammen, die auf ganz unterschiedliche Weise zum Tragen kommen. Natürlich lassen sich Leute im Wald von den Taschenlampen anderer Waldbesucher narren. Und auch Autoscheinwerfer wurde für Spuklichter gehalten. Dass die Menschen eine gewisse Erwartungshaltung bei ihrem Waldbesuch haben, spielt genauso eine Rolle wie die Geister- und Gruselgeschichten, die man den Neulingen erzählt. Es sind also unterschiedliche Komponenten, die sich zu einer großen Licht-Geschichte zusammensetzen. Die Menschen sind dabei Teil dieses Phänomens.

Wie bewerten Sie die Berichte von Augenzeugen, die angeben, das Licht gesehen zu haben? Gibt es etwas, was die Augenzeugenberichte, von denen Sie Kenntnis haben, vereint und wie glaubwürdig sind diese aus Ihrer Sicht?

Zunächst einmal hat jeder Zeuge, der sich meldet, einen Vertrauensvorschuss. Die meisten Zeugen beschreiben ihre tatsächlich gemachten Erfahrungen und interpretieren ihre Wahrnehmungen, sind also glaubwürdig. Dass diese Wahrnehmungen nicht immer auch wahr und schon gar nicht objektiv sind, steht auf einem anderen Blatt und hat mit Glaubwürdigkeit nicht das Geringste zu tun. Der Mensch ist nun mal keine Videokamera, die jedes noch so kleine Detail aufzeichnet und wiedergibt, sondern fehl- und täuschbar. Das muss immer berücksichtigt werden, wenn man Zeugenberichte auswertet.

Natürlich gibt es auch Spaßvögel, die sich wichtig machen wollen. Da gibt es ganz unterschiedliche Charaktere, die sich im Wald versammeln

Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet das „Brieselanger Licht“ eine so große Aufmerksamkeit erfährt? Was ist das Besondere dieses Phänomens im Vergleich zu anderen unerklärlichen Beobachtungen?

Die Langlebigkeit. Es handelt sich nicht um ein flüchtiges Phänomen, das nur einmal von wenigen Menschen beobachtet wurde, sondern um ein über Jahre hinweg von vielen Menschen beobachtetes. Und man kann es selbst erleben. Zahlreiche Leute pilgern, gerade in den Sommermonaten, regelrecht in diesen Wald. Auch die Medien veranstalten recht gerne ein Spektakel darum und so bauscht sich die Sache dann immer weiter auf. Und nicht ohne Grund sind die meisten Lichtsucher Jugendliche und junge Erwachsene. Es ist wie Geisterbahn zum Nulltarif. Spannend eben.

Allerdings ist Brieselang bei weitem nicht das einzige Phänomen, welches so große Aufmerksamkeit erfährt. In der Geschichte der Anomalistik gab und gibt es zahlreiche andere Fälle, die Berühmtheit erlangt haben. Und in Bayern gibt es beispielsweise einen Wald, von dem man sich ähnliche Geschichten erzählt wie in Brieselang und wo auch Lichter gesehen werden. Aber für die Menschen in der Umgebung ist es natürlich besonders spannend, so ein Phänomen direkt vor der Haustüre zu haben.

Wie wird Ihre wissenschaftliche Arbeit von der Gemeinde Brieselang angesehen? Erfahren Sie Unterstützung bei Ihrer Arbeit? Wie bewerten Sie den Umgang der Gemeinde Brieselang mit dem Geheimnis um das „Brieselanger Licht“?

Ich habe sehr interessante Gespräche mit Brieselangern geführt. Allerdings gab es auch immer wieder Bewohner, die sich – nicht zu unrecht – darum sorgten, dass Flora und Fauna im Wald erheblich gestört werden. Dem „Leuchter-Tourismus“ stehen viele skeptisch gegenüber. Das ist aber die ganz und gar irdische Problematik, mit der sich die Gemeinde herumschlagen muss. Einige Bewohner Brieselangs glauben dabei durchaus an „das Licht“, andere eben nicht. Meines Wissens wurde jedoch zu keiner Zeit Profit aus der Legende geschlagen, wenngleich ich mir so manches Mal beim Waldbesuch gewünscht habe, dass jemand einen Hot-Dog-Stand am Wald aufgebaut hätte 🙂

Interview: T. Goltz, Dezember 2009

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